Überwachung des Wagenplatzes ‚Querlenker‘ mit verdeckten Überwachungskameras

Am 15.12. wurde auf der linksradikalen Plattform Indymedia ein Artikel veröffentlicht, der Bilder von Überwachungstechnik im Wert von schätzungsweise mehreren zehntausend Euro enthält. Damit ist der Wagenplatz „Querlenker“ am Güterbahnhof beobachtet worden. In einem verschlossenen Raum des „Papageienhauses“, einem Hochhaus in der Friedrich-Rauers-Straße mit Blick auf den Wagenplatz, wurde „hochwertiges Überwachungsequipment, darunter mehrere Kameras und weitere technische Gerätschaften“ gefunden und gestohlen. Eine Kamera diente laut Artikel dazu, aus dem 6. Stock des Hochhauses den gegenüberliegenden Wagenplatz Querlenker zu beobachten. Der Raum mit der Technik wurde angeblich zuvor durch Immobilien Bremen versiegelt.

Gegenüber der taz (Artikel vom 21.12.) bestätigte Immobilien Bremen, dass ein Name, mit dem ein Hinweis an der Tür des verschlossenen Raums gezeichnet war, tatsächlich der Name des Leerstandshausmeisters sei. Weitere Angaben zum Raum und zur Kameratechnik machte die Immobiliengesellschaft gegenüber der Tageszeitung nicht.

Die Pressestelle der Bremer Polizei gab gegenüber der taz an, dass Bremische Sicherheits-behörden durch den Einbruchdiebstahl im Papageienhaus nicht geschädigt worden seien. Die Fragesteller*innen gehen deshalb davon aus, dass sich um eine Maßnahme einer Bundesbehörde handelte. Überwachungsmaßnahmen gegen Bremer*innen, die durch Bundesbehörden durchgeführt werden, werden nicht in Bremen kontrolliert.

Ähnliche Funde von versteckten Überwachungskameras im Bundesgebiet stellten sich meist als von Polizeien eingesetzte Technik heraus. Mit hochwertigen Kameras lassen sich etwa auch nachts scharfe Bilder und Videos aufnehmen.
Das Kollektiv Querlenker, das auf dem öffentlich begehbaren Bauwagenplatz u.a. Konzerte und Freiluftkino-Abende veranstaltet, fühlt sich offenbar bedroht durch den im Indymedia-Artikel geschilderten Fund. In einer Stellungnahme des Vereins heißt es: „Bei uns auf dem Wagenplatz finden subkulturelle Konzerte und auch politischer Austausch statt. […] Von wem wurden wir überwacht? Was wurde überwacht? Warum wurden wir überwacht? […] Welche Räume werden noch ausspioniert, in denen sich Menschen selbst organisieren und sich außerhalb von den bestehenden Zuständen ausprobieren und kämpfen? Der Querlenker steht in einer Reihe mit weiteren linken Projekten. Räume, von denen man denkt, dass man sich in ihnen frei bewegen kann, werden schamlos ausspioniert.“

Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit kündigte an, sich dem Fall widmen zu wollen.

Der Vorfall wirft Fragen auf, auch Fragen nach der Rechtmäßigkeit und politischen Legitimität von heimlicher Videoüberwachung öffentlichen Raumes durch hochsensible Technik. Es ist nicht rechtsstaatlich, tiefe Eingriffe in die Privatsphäre von Bürger*innen vorzunehmen und bei Fehlern keine Transparenz walten zu lassen, wer die Überwachung weshalb durchgeführt hat. Politische Kontrolle, aber auch das Lernen aus Fehlern werden so unmöglich gemacht.

Wir fragen den Senat:

1. Wurde die Überwachungstechnik im Papageienhaus durch eine Landesbehörde installiert und wenn ja, welche, wenn nein, welche Behörde hat die Überwachungstechnik installiert?
2. Welche Technik und welche sonstige Ausrüstung wurden genau eingesetzt? Wie hoch ist der Gesamtwert der eingesetzten Ausstattung ?
3. Welche Kenntnis hat der Senat über den jetzigen Ort und Zustand der Technik?
4. Gibt es weitere Überwachungsinstallationen im Bereich des Querlenkers und/oder weiterer Wagenplätze oder öffentlich zugänglicher alternativer Orte?
5. Welcher Bereich wurde genau von der Überwachungskamera erfasst?
6. War dieser Bereich ohne Hindernis für die Öffentlichkeit betretbar?
7. Wurden durch die Kamera zum Wohnen genutzte Bauwagen, Gemeinschaftsorte oder Nahbereiche von Eingangsbereichen von Wagen oder Gemeinschaftsunterkünf-ten des Querlenker-Wagenplatzes erfasst?
8. Welchem Zweck diente die Überwachung, welche Rechtsgrundlage hatte diese und wer ordnete diese verdeckte Maßnahme an?
9. Wie lange war der Zeitraum der Anordnung?
10. Wie viele Personen waren Ziel der Maßnahme?
11. Waren Vereine oder Gruppen Ziel der Maßnahme, wenn ja, welche?
12. Wurden die Aufnahmen digital übertragen und gespeichert?
13. Welche Maßnahmen wurden getroffen, um die Daten unbeteiligter Dritter zu schützen?
14. Gilt die Maßnahme nun als beendet und wenn ja, wird es Informationen für die Betroffenen geben?
15. Welche Konsequenzen zieht der Senat aus dem Auffinden und Verlust der Überwachungstechnik?
16. Sind Mitglieder des durch p.ara betriebenen Kulturkollektivs und Nutzer*innen der Ateliers nun von Ermittlungen betroffen?
17. Welche Schlussfolgerungen zieht der Senat aus den Konsequenzen, die erwachsen, wenn Überwachungstechnik in einem von Dritten genutzten Haus installiert wird, etwa dass Menschen unwissentlich in den Fokus von Überwachungen und Ermittlun-gen geraten?
18. Wann und in welchem Rahmen informiert das BfV das LfV über Maßnahmen in Bre-men?
19. Wie hoch ist der Anteil der von Bundesbehörden, insbesondere vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Bremen durchgeführten Überwachungen an den gesamten Überwachungen im nachrichtendienstlichen Bereich im Land Bremen und Bund und wie wird eine parlamentarische Kontrolle in Bremen sichergestellt?
20. Über welche Überwachungsmaßnahmen in Bremen wird das Parlamentarische Kontrollgremium informiert, über welche Maßnahmen das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages?
21. Dürfen Mitglieder der Kontrollgremien des Bundestages und der Bremischen Bürgerschaft miteinander über diese Maßnahmen sprechen?
22. Ist es der Fall, dass die Verfassungsschutzbehörden über alle Überwachungsmaßnahmen im Lande Bremen informiert sind, die Kontrollgremien der Parlamente aber nicht?
23. Wie häufig hat das BfV in den letzten 10 Jahren Maßnahmen im Land Bremen durchgeführt?
24. Wie viele personenbezogene Daten aus nachrichtendienstlichen Maßnahmen wurden in den letzten 5 Jahren durch das BfV an das LfV Bremen oder die Polizei Bremen übermittelt?
25. Sieht der Senat den Bedarf einer Verbesserung der Geheimdienstkontrolle, insbeson-dere der Möglichkeit des Austausches unterschiedlicher parlamentarischer Kontrolleur*innen?

Nelson Janßen, Sofia Leonidakis und Fraktion DIE LINKE