Unveröffentlichte Gutachten und Stellungnahmen zum Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB)
Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen im Jahr 2015 wurden Vermerke, Gutachten, Stellungnahmen und Expertisen aus den Senatsres-sorts erstellt. Laut Recherchen von Radio Bremen soll dabei ein Vermerk aus dem Finanzressort die Wirtschaftlichkeit des geplanten OTB kritisch hinterfragt haben. Im bisher geheim gehaltenen Vermerk aus dem Finanzressort vom 8. Juni 2015 heißt es über die prognostizierte Wirtschaftlichkeit des Projektes:
Ab 2020 sollen zusammen zwei Windparks pro Jahr in der Nord- und Ostsee errichtet werden. Die Anzahl [Windenergieanlagen] pro Windpark ist abhängig von der Gondel-leistung. Prognos rechnete Ende 2010 mit einer Leistung von rund 4 MW pro Gondel. Ein Windpark mit einer Gesamtleistung von 400 MW benötigte somit 100 [Windener-gieanlagen]. Heute ist die 6,15 MW-Gondel Standard. AREVA/GAMESA proben be-reits die 8 MW-Gondel. Wenn der OTB tatsächlich 2019 fertig wäre, müssten pro Windpark (400 MW) mit fallender Tendenz nur noch rund 50 [Windenergieanlagen] (8MW-Gondel) errichtet werden. Bezogen auf die Nordsee also geschätzte 80 [Wind-energieanlagen] pro Jahr. Wenn es Bremerhaven gelänge, von diesem Potenzial un-wahrscheinliche 50 % Marktanteil zu erreichen, ergäben sich 40 [Windenergieanla-gen] pro Jahr. Prognos hatte in der [Wirtschaftlichkeitsuntersuchung] (aktuellste Fas-sung aus 2010) 160 [Windenergieanlagen] für einen rentablen Betrieb für notwendig erachtet.
Wir fragen den Senat:
1. Welche Vermerke, Dokumente, amtlichen Unterlagen, Schriftwechsel, Gutachten, gutachterliche Stellungnahmen usw. liegen dem Senat vor, die bisher nicht im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens veröffentlicht worden sind (wir bitten um eine vollständige Auflistung mit Datum, federführendem Ressort, Titel)?
2. Aus welchem jeweiligen Grund wurden die unter 1. genannten Dokumente bisher nicht veröffentlicht und plant der Senat, diese Dokumente jetzt oder zukünftig zu veröffentlichen?
3. Welche Vermerke, Dokumente, amtlichen Unterlagen, Schriftwechsel, Gutachten, gutachterliche Stellungnahmen und sonstigen Schriftstücke haben die einzelnen Ressorts im Rahmen der Koalitionsverhandlungen für die verhandlungsführenden Parteien SPD und Grüne eingebracht?
4. Welchen inhaltlichen Tenor hatten die unter 3. genannten Dokumente, insbeson-dere in Bezug auf planungsrechtliche und wirtschaftliche Aspekte des geplanten OTB?
5. Wurden die einzelnen Ressorts im Rahmen der Koalitionsverhandlungen von ei-ner oder beiden verhandlungsführenden Parteien zur Erstellung oder Übermittlung von Expertisen, Gutachten, Vermerken oder sonstiger Schriftstücke beauftragt? Wenn ja: Was war der konkrete Inhalt dieser Bitte bzw. dieses Auftrages? Wenn nein: Mit welcher konkreten Begründung haben die Senatsressorts ihre Kapazitä-ten für die beiden verhandlungsführenden Parteien zur Verfügung gestellt?
6. Wurden die im Rahmen der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen vorgelegten Gutachten, Stellungnahmen, Vermerke und sonstigen Schriftstücke aus den Senatsressorts auch den Oppositionsparteien und den zuständigen par-lamentarischen Gremien zugeleitet? Wenn nein, warum nicht?
7. Wurden die im Rahmen der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen vorgelegten Gutachten, Stellungnahmen, Vermerke und sonstigen Schriftstücke aus den Senatsressorts anschließend gemäß Bremischem Informationsfreiheits-gesetz der Allgemeinheit zugänglich gemacht? Wenn nein, warum nicht?
8. Wie lässt sich der offensichtliche Widerspruch zwischen folgenden Aussagen in Bezug auf den zu erwartenden Marktanteil der Bremerhavener Gondelhersteller erklären: „Wenn es Bremerhaven gelänge, von diesem Potenzial unwahrscheinli-che 50 % Marktanteil zu erreichen…“ (Vermerk des Finanzressorts vom 8.6.2015) und „Insoweit ist es gerechtfertigt, den Marktanteil - insbesondere in der deut-schen Nordsee von aktuell 26% auf 40 bis 50% - als wachsend vorauszusetzen.“ (Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE Kosten, Marktpotenziale, Finanzierung und Planfeststellung des Offshore-Terminal Bre-merhaven (OTB) – Drucksache 19/172 vom 24.11.15). Ist die Wahrscheinlichkeit der Erreichung von 50%- Marktanteil zwischen Juni und November 2015 größer geworden – womöglich durch die in diesem Zeitraum liegende Ansiedelung des Hauptkonkurrenten und Weltmarktführers Siemens in Cuxhaven?
9. Welche Dokumente, amtlichen Unterlagen, Schriftwechsel, Gutachten, gutachter-liche Stellungnahmen, planungsrechtliche Vermerke usw. des Bundesverkehrsmi-nisteriums und der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) bzw. der vorheri-gen Wasser- und Schifffahrtsdirektion (WSD) über die Planfeststellung und hier insbesondere über die Zuständigkeit für die Planfeststellung des OTB liegen dem Senat vor (wir bitten um eine vollständige Auflistung für die Jahre 2009 bis 2014)?
10. Ist es zutreffend, dass die Verwaltung des Bundes nur einen einzigen schriftlichen Vermerk zur Zuständigkeit für das Planfeststellungsverfahren im Jahr 2010 an Bremen übermittelt hat?
11. Wie bewertet der Senat die Behauptung, Bremen habe sich über die gesamte Dauer des Verfahrens intensiv mit dem Bund abgestimmt? In welcher Form wurde diese intensive Abstimmung dokumentiert, wenn schon nicht schriftlich?“
Nelson Janßen, Kristina Vogt und Fraktion DIE LINKE